Blog – Jocelyne Lopez

Informationsfreiheitsgesetz und Gebührenerhebung: Das Verwaltungsgericht Düsseldorf weist die Klage von Tierschützern gegen LANUV NRW am 07.02.14 ab

Folgender Sachverhalt wurde am 07.02.2014 von dem Verwaltungsgericht Düsseldorf urteilt:

– Am 15.12.2012 richteten Tierschützer (Jocelyne Lopez und Mitstreiter) eine Bürgeranfrage im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes an das LANUV NRW als genehmigende Behörde für die seit über 20 Jahren stark umstrittenen Versuche an Primaten in der Hirnforschung an der Ruhruniversität Bochum.

–  Die Tierschützer beriefen sich dabei auf ein öffentliches Interesse und strebten ausdrücklich eine Gebührenbefreiung wegen öffentlichem Interesse an, siehe:

Gebührengesetz NRW § 6 – Ermäßigung und Befreiung

Aus Gründen der Billigkeit, insbesondere zur Vermeidung sozialer Härten, kann Gebührenermäßigung und Auslagenermäßigung sowie Gebührenbefreiung und Auslagenbefreiung vorgesehen und zugelassen werden. Dasselbe gilt für Amtshandlungen, die einem von der handelnden Behörde wahrzunehmenden öffentlichen Interesse dienen“ [Hervorhebung durch Jocelyne Lopez]
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Der Richter hat diese Formulierung des Gebührengesetzes NRW § 6 „Ermäßigung und Befreieung“ dahingehend wie folgt interpretiert (mit meinen eigenen Worten und nach meinem eigenen Verständnis der mündlichen Verhandlung, da das schriftliche Urteil mir noch nicht vorliegt):

Die Behörde habe im Rahmen des Informationsfreiheitgesetzes selbst zu beurteilen, ob bei ihren Handlungen gegenüber Bürgern die Befriedigung eines öffentlichen Interesses vorliegt. Es läge einzig in ihrem Ermessen, ob ein öffentliches Interesse bei einem bestimmten Anliegen besteht oder nicht.

Die Behörde hat in diesem Fall entschieden, dass bei der Beantwortung der Bürgeranfrage der Tierschützer über die langjährigen Primatenversuche an der Universität Bochum kein öffentliches Interesse vorläge und demzufolge eine Gebührenbefreiung nicht in Frage käme.

Der Richter hat sich dieser  Entscheidung der Behörde angeschlossen und die Klage der Tierschützer auf Erstattung der erhobenen Gebühren abgewiesen – die Prozesskosten tragen die Tierschützer.
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Dieses Urteil wirft aus unserer Sicht grundsätzliche Unklarheiten und Widersprüche bei der Inanspruchnahme des Informationsfreiheitsgesetzes durch Bürger auf:
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  1. Wieso sollte alleine eine Behörde nach eigenem Ermessen beurteilen dürfen, ob bei einem Anliegen ein öffentliches Interesse besteht? Eine Behörde kann doch nicht selbst bestimmen, für was sich die Bürger zu interessieren haben oder nicht, oder? Und es ist auch sehr daran zu zweifeln, dass es die Absicht  des Gesetzgebers bei dem Informationsfreiheitsgesetz war, allein den Behörden zu überlassen, ob ein öffentliches Interesse bei gesellschaftlichen Vorgängen besteht. Das Informationsfreiheitsgesetz wurde nämlich ausgerechnet verabschiedet, um den Bürgern einen freien Zugang auf Informationen zu gewähren, die den Behörden bei intransparenten gesellschaftlichen Vorgängen vorliegen.
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  2. Die Primatenversuche in der Hirnforschung lösen bundesweit seit Jahrzehnten einen ungebrochenen Widerstand in der Bevölkerung und eine heftige gesellschaftliche Debatte aus, was eindeutig in der Öffentlichkeit dokumentiert wird: Demos, Informationsstände, Protestaktionen, wissenschaftliche Studien, Aufklärung der Öffentlichkeit, Umfragen, unzählige Tierschutzvereine, Presseberichte, Unterschriftensammlungen, Petitionen, unzählige Webseiten, Diskussionsforen, Blogs und Facebook-Seiten,  sowie bis zur Einschaltung der Politiker, zu gerichtlichen Auseinandersetzungen und zu Gesetzentwürfen. Sogar die Aufsichtsbehörde des LANUV NRW, das Umweltministerium NRW, hielt nach der Bürgeranfrage der Tierschützer über die Primatenversuche an der Uni Bochum für erforderlich, eine bessere Kontrolle der gesetzlichen Vorgaben bei der Genehmigung dieser Versuche durch einen Gesetzentwurf zu erzielen, und strebt sogar ausdrücklich nach einem Rückzug aus diesen Versuchen für das Land NRW an, siehe Das Land Nordrhein-Westfalen strebt ein absolutes Verbot für Versuche mit Menschenaffen an.
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    Zeugen alle dieser  gesellschaftlichen Vorgänge etwa nicht von einem öffentlichen Interesse??!! Wann liegt sonst ein öffentliches Interesse in den Augen des Richters vor?
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  3. Die Bürgeranfrage der Tierschützer an die genehmigende Behörde LANUV NRW erfolgte wegen einem dringenden Verdacht auf Verstöße gegen das Tierschutzgesetz bei der Genehmigung dieser Versuche. Dieser Verdacht hat sich durch die Antworte der Behörde bestätigt: Es wurden Verstöße gegen drei wesentliche Bestimmungen des TierSchG §§ 7 und 8 durch die Antworten der Behörde nachgewiesen: Strafanzeige wurde erstattet und eine Petition beim Landtag NRW zur Erhebung der öffentlichen Klage durch die Staatsanwaltschaft eingereicht, siehe hier.
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    Sind Vorwürfe der Verstöße gegen geltende Gesetze und Einsatz von Rechtsmitteln im Öffentlichen Recht etwa kein Anliegen der Allgemeinheit? Wann liegt sonst ein öffentliches Interesse in den Augen des Richters vor?.
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Drei vorangegangene Klagen wegen Gebührenerhebung für denselben  Sachverhalt der Genehmigung der Primatenversuche an der Uni Bochum durch LANUV NRW liegen noch vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen vor. Das Urteil steht noch aus. Es bleibt abzuwarten, ob die Richterin auch kein öffentliches Interesse bei diesem Sachverhalt erkennen kann.

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© Bild Norbert Fenske – Photografically

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Siehe auch in diesem Blog:

Verwaltungsgericht Düsseldorf oder wie schnell man das Informationsfreiheitsgesetz aushebeln kann

Informationsfreiheitsgesetz und Gebührenerhebung: Verwirrendes Gerichtsurteil vom 07.02.14 über die Gebührenpraxis vom LANUV NRW

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf erlässt wohl seine eigenen Gesetze zugunsten LANUV NRW

Verwaltungsgericht Düsseldorf: Die Bürger sind alle Heinis und Tussis

Verwaltungsgericht Düsseldorf: Was will diese Tussi von uns?

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hebelt das Informationsfreiheitsgesetz aus

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In Liebe und zärtlichem Gedenken der vergessenen Tiere,
in Stehsärgen ohne Nächte und Tage,
in den Forschungslaboratorien von Medizin und Wissenschaft,
denn sie sind die Opfer eines endlosen, irren Verbrechens.
(anonym)

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Comments

  1. Februar 8th, 2014 | 10:40

    […] verweise auf meinen gestrigen Blog-Eintrag Informationsfreiheitsgesetz und Gebührenerhebung: Das Verwaltungsgericht Düsseldorf weist die Klag…  über ein hochgradig verwirrendes Gerichtsurteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf über die […]

  2. Februar 9th, 2014 | 09:44

    […] Siehe: . Informationsfreiheitsgesetz und Gebührenerhebung: Das Verwaltungsgericht Düsseldorf weist die Klag… […]

  3. Februar 10th, 2014 | 12:13

    […] Informationsfreiheitsgesetz und Gebührenerhebung: Das Verwaltungsgericht Düsseldorf weist die Klag… […]

  4. Februar 10th, 2014 | 12:16

    […] Informationsfreiheitsgesetz und Gebührenerhebung: Das Verwaltungsgericht Düsseldorf weist die Klag… […]

  5. Februar 10th, 2014 | 12:18

    […] Siehe auch: Informationsfreiheitsgesetz und Gebührenerhebung: Das Verwaltungsgericht Düsseldorf weist die Klag… […]

  6. Februar 10th, 2014 | 12:19

    […] Informationsfreiheitsgesetz und Gebührenerhebung: Das Verwaltungsgericht Düsseldorf weist die Klag… […]

  7. Februar 10th, 2014 | 12:20

    […] —————————– Siehe auch: Informationsfreiheitsgesetz und Gebührenerhebung: Das Verwaltungsgericht Düsseldorf weist die Klag… […]

  8. Februar 10th, 2014 | 12:22

    […] Informationsfreiheitsgesetz und Gebührenerhebung: Das Verwaltungsgericht Düsseldorf weist die Klag… […]

  9. Februar 11th, 2014 | 07:45

    […] Informationsfreiheitsgesetz und Gebührenerhebung: Das Verwaltungsgericht Düsseldorf weist die Klag… […]

  10. Februar 12th, 2014 | 12:57

    […] Informationsfreiheitsgesetz und Gebührenerhebung: Das Verwaltungsgericht Düsseldorf weist die Klag… […]

  11. Februar 14th, 2014 | 07:32

    […] Das Verwaltungsgericht Düsseldorf weist die Klage von Tierschützern am 07.02.14 ab . […]

  12. Februar 21st, 2014 | 08:26

    […] Außerdem habe ich mich während der mündlichen Gerichtsverhandlung als Klägerin nicht fair und objektiv behandelt gefühlt, es gibt auch dafür drei Mitstreiter als Zeugen, die als Zuschauer im Saal anwesend waren: Der Richter war sehr bürgerfeindlich eingestellt und verstand sich ausschließlich als Vertreter der Interessen der Behörde, siehe meine Berichtserstattung nach der mündlichen Verhandlung mit weiterführenden Links: Informationsfreiheitsgesetz und Gebührenerhebung: Das Verwaltungsgericht Düsseldorf weist die Klag…. […]

  13. Februar 23rd, 2014 | 11:56

    […] Informationsfreiheitsgesetz und Gebührenerhebung: Das Verwaltungsgericht Düsseldorf weist die Klag… […]

  14. April 26th, 2014 | 15:21

    […] Informationsfreiheitsgesetz und Gebührenerhebung: Das Verwaltungsgericht Düsseldorf weist die Klag… […]