23. Februar 2013
Neue Strafanzeige gegen das LANUV NRW wegen Tötung von Versuchsaffen an der Ruhr-Universität Bochum
Wir sind eine Gruppe von Tierschützern und stellen die Primatenversuche an der Ruhr-Universität Bochum vor dem Hintergrund der Aufnahme des Tierschutzes in der deutschen Verfassung 2002 und der Erklärung des Tierschutzes als Staatsziel tatkräftig in Frage. Wir haben unsere Auseinandersetzung mit der genehmigenden Behörde (Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz, Recklinghausen – LANUV NRW) seit April 2012 in diesem Blog zusammengestellt, siehe: Primatenversuche in Bochum: Auseinandersetzung mit Behörden.
Wir geben nachstehend eine weitere Entwicklung in dieser Angelegenheit:
18.02.2013 – Neue Anzeige an die Staatsanwaltschaft Bochum wegen Tötung von Versuchsaffen an der Ruhr-Universität Bochum
Betr.: Aktenzeichen 41 UJS 61/12
Ermittlungsverfahren gegen das LANUV NRW
wegen Vergehens gegen das Tierschutzgesetz
Meine Strafanzeige vom 05.11.2012
Ihr Bescheid vom 27.11.2011
Hier: Neue Anhaltspunkte zu meiner Strafanzeige
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie teilten mir in Ihrem o.g. Bescheid vom 27.11.12 mit, dass Sie meine Strafanzeige wegen Tötung von 6 Makaken im Rahmen eines Tierversuchs-vorhabens an der Ruhr-Universität Bochum eingestellt haben, da Sie auf Nachfrage von der genehmigenden Behörde LANUV NRW die Information erhalten haben, dass die Tötung der Tiere von vornherein Gegenstand der genehmigten Anträge war, wobei die genehmigende Behörde: Zitat: “sich davon überzeugt hatte, dass – der anerkannten Zwecken der Grundlagenforschung dienende Versuch – anatomische und physiologische Untersuchungen an den Gehirnen der Versuchstiere erforderlich machte, so dass deren Tötung unumgänglich war“.
Ich kann diese Aussage der genehmigenden Behörde nicht hinnehmen. Ich zitiere hier den § 7 (3) TierSchG:
„Versuche an Wirbeltieren dürfen nur durchgeführt werden, wenn die zu erwartenden Schmerzen, Leiden oder Schäden der Versuchstiere im Hinblick auf den Versuchszweck ethisch vertretbar sind. Versuche an Wirbeltieren, die zu länger anhaltenden oder sich wiederholenden erheblichen Schmerzen oder Leiden führen, dürfen nur durchgeführt werden, wenn die angestrebten Ergebnisse vermuten lassen, dass sie für wesentliche Bedürfnisse von Mensch oder Tier einschließlich der Lösung wissenschaftlicher Probleme von hervorragender Bedeutung sein werden.“
Die Tötung eines Tiers ist ein erheblicher Schaden und darf dementsprechend gemäß TierSchG nur dann genehmigt werden, wenn die angestrebten Ergebnisse der Tötung (hier die anatomischen und physiologischen Untersuchungen an den Gehirnen) vermuten lassen, dass sie für wesentliche Bedürfnisse von Mensch oder Tier von hervorragender Bedeutung sein werden.
Der Nachweis und die Begründung der vermuteten bzw. tatsächlich festgestellten hervorragenden Bedeutung der anatomischen und physiologischen Untersuchungen der Gehirne der 6 getöteten Makaken, die eine Tötung nach dem Gesetz unerlässlich hätte machen können, fehlt völlig und wurde sogar in diesem Fall ausdrücklich verweigert:
- Obwohl solche Versuche nach Angabe des Tierschutzbeauftragten seit 25 Jahren (1997) an der Ruhr-Universität mit Makaken durchgeführt wurden, wurde auf die Anfrage einer Mitzeichnende (siehe Anlage 1 : Anfrage vom 15.12.2012) von der Behörde keine Angabe darüber getroffen, ob die anatomischen und physiologischen Untersuchungen an den Gehirnen der getöteten Tiere seit 25 Jahren – oder auch bei den zuletzt getöteten 6 Makaken – Ergebnisse von herausragender Bedeutung für wesentliche Bedürfnisse von Mensch oder Tier gebracht haben und zu erwarten waren (siehe Anlage 2: Antwort des LANUV NRW vom 11.01.2013).
. - Die genehmigende Behörde LANUV NRW sagte zwar gegenüber der Staats-anwaltschaft Bochum aus, dass die Tötung von vornherein in den Forschungsanträgen von ihr genehmigt wurde und dass „sie sich davon überzeugt hatte, dass – der anerkannten Zwecken der Grundlagenforschung dienende Versuch – anatomische und physiologische Untersuchungen an den Gehirnen der Versuchstiere erforderlich machte, so dass deren Tötung unumgänglich war“, jedoch konnte sich die Behörde davon nicht überzeugen, aus dem guten Grunde, weil ihr nach eigener Angabe Informationen über die Ergebnisse der anatomischen und physiologischen Untersuchungen der getöteten Tiere nicht vorliegen (siehe o.g. Anlage 2) und wohl auch für vorhergegangenen Versuche seit 25 Jahren nie vorgelegen haben.
.
. - Der Bitte um anonymisierte Kopien der Autopsie-Berichte der 6 getöteten Tiere – die zur fachlichen Begutachtung der Bedeutung und Aussagekraft der anatomischen und physiologischen Untersuchungen der Gehirne der getöteten Tieren durch fachlich kompetente Dritten dienen könnten – wurde von der Behörde nicht entsprochen: Die Autopsie-Berichte liegen ihr nicht vor und sie konnte dementsprechend keine Informationen darüber erteilen – sie verweist dafür auch auf den Tierschutzbeauftragten der RUB (siehe o.g. Anlage 2).
. - Der Tierschutzbeauftragte, an den diese Bitte weitergeleitet wurde, verweigert ohne nachvollziehbare Begründung die Aushändigung der Kopien der Autopsie-Berichte der 6 getöteten Makaken, siehe:
Anlage 3: Antwort des Tierschutzbeauftragten vom 15.01.12
Anlage 4: Rückfrage einer Mitzeichnende vom 16.01.2013
Anlage 5: Antwort vom 08.02.13 des Tierschutzbeauftragten.
. - Genauso fehlt der genehmigenden Behörde jegliche Information über etwaige im Rahmen dieser Versuche neugewonnenen Erkenntnisse seit 25 Jahren an der RUB, die der Heilung von menschlichen Krankheiten dienlich sein könnten und die im Schreiben der Behörde vom 11.01.13 ausgeführt wurden (siehe o.g. Anlage 2), z.B. Parkinsonsche Krankheit, Alzheimersche Krankheit oder Multiple Sklerose. Das LANUV sagt aus, dass solche Informationen ihm nicht vorliegen und verweist auch für die Beantwortung dieser Frage auf den Tierschutzbeauftragten der RUB, der wiederum eine entsprechende Beantwortung definitiv verweigert (siehe o.g. Anlage 5 : Zweite Antwort des Tierschutzbeauftragten vom 08.02.2013).
In diesem Gesamtkontext kann man berechtigt davon ausgehen, dass das LANUV – entgegen seiner Aussage gegenüber der Staatsanwaltschaft und entgegen seiner gesetzlichen Aufgabe als genehmigende Behörde – sich weder vor noch nach den Versuchen überzeugt hat, dass die Versuche und die Tötung der Tiere unerlässlich im Sinne des Tierschutzgesetzes § 7 waren, d.h. für Forschungszwecke und Forschungsergebnisse, die wesentliche Bedürfnisse von Mensch oder Tier einschließlich der Lösung wissenschaftlicher Probleme von hervorragender Bedeutung bringen werden.
Diese Fehlhaltung der genehmigenden Behörde könnte möglicherweise aus meiner Sicht ein in der Fachwelt bekanntes Fehlverhalten bei der Einreichung der Forschungsanträge begünstigen. Ich zitiere hier zum Beispiel Aussagen von einem führenden Hirnforscher, der auch langjährig die gleichen Versuche in der Grundlagenforschung in Frankfurt durchführt:
Zitat Prof. Dr. Wolf Singer, Direktor des Max-Planck Instituts für Hirnforschung in Frankfurt in der Zeitschrift „Gegenworte“ Nr. 4, 1999:
„Ich muß in meinen Anträgen den Nachweis antreten, daß die Ergebnisse einer geplanten Versuchsreihe von so großer praktischer Bedeutung sein werden, daß sie ethisch gerechtfertigt ist. Das zwingt mich fast zum Betrug, weil ich in der Tat in vielen Bereichen nicht angeben kann, ob das Versuchsergebnis wirklich in absehbarer Zeit Leiden vermindern wird. […] Man wird vom Gesetzgeber in eine Argumentationspflicht genommen, die man vor sich selbst nicht rechtfertigen kann.“
[…]
Ja, das sieht man deutlich daran, daß der Gesetzgeber zu-nehmend die Zuwendung von Mitteln davon abhängig macht, daß wir nachweisen können, welche umsetzbaren Erkenntnisse die einzelnen Untersuchungen erbringen werden. Das ist eine Katastrophe. Diese Vorgaben verführen die Forscher zum Schwindeln.„
Zitatende
Zusammenfassend ist aus meiner Sicht ein Verstoß gegen § 7 (3) TierSchG festzustellen und eine Fehlleistung der genehmigenden Behörde bei ihrer Aufsichts- und Prüfungsplicht im Rahmen § 8 TierSchG, die eine Wiederaufnahme der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft rechtfertigen sollten:
Gemäß den von dem LANUV NRW zur Verfügung gestellten Informationen, ist es nicht ersichtlich, dass es im Sinne des TierSchG unerlässlich war, die 6 Makaken nach endgültiger Einstellung der Versuche zu töten, die nach den Versuchen lebensfähig waren, keine unbehebbaren körperlichen Schäden oder erhebliche Verletzungen hatten und somit die Chance gehabt hätten, ohne länger anhaltende Schmerzen und Leiden weiterzuleben. Es existieren Auffangstationen für Primaten, die ich nachweisen könnte, wo ehemalige Versuchsaffen artgerecht und gesetzeskonform untergebracht werden, wobei auch aus dem § 9 Abs. 2 Nr. 3 Tierschutzgesetz keine Begründung für das Töten dieser Versuchstiere sich ergab:
„Schmerzen, Leiden oder Schäden dürfen den Tieren nur in dem Maße zugefügt werden, als es für den verfolgten Zweck unerläßlich ist; insbesondere dürfen sie nicht aus Gründen der Arbeits-, Zeit- oder Kostenersparnis zugefügt werden.“
Darüber hinaus ist die Unerlässlichkeit im Sinne des TierSchG der genehmigten Versuche selbst (d.h. vor der Tötung der Tiere), auch in Frage zu stellen: Zu Ihrer Information füge ich meinen Brief vom 16.01.13 an das Umweltministerium NRW als Aufsichtsbehörde der LANUV NRW bei (siehe Anlage 6), wo ich den Vorwurf des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz der von dem LANUV NRW genehmigten Primatenversuche in der Hirnforschung an der Ruhr-Universität Bochum erhebe.
Ich bitte um Wiederaufnahme der Ermittlungen und beantrage Rechtsschutz beim Gericht.
Mit freundlichen Grüßen
Gisela Urban
1. Vorsitzende Tierfreunde ohne Grenzen e.V
[…] In diesem Gesamtkontext bestehen aus unserer Sicht erhebliche Verstöße und Versäumnisse der genehmigenden Behörde LANUV NRW im Rahmen des TierSchG bei der Genehmigung der Primatenversuchen an der RUB, sowohl für die Versuche selbst, als auch für die Genehmigung der Tötung der Versuchstiere, wir verweisen hier auf unsere Strafanzeige vom 18.02.2013: Neue Strafanzeige gegen das LANUV NRW wegen Tötung von Versuchsaffen an der Ruhr-Universität Bochu… […]
[…] Neue Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Bochum wegen Tötung von Versuchsaffen an der Ruhr-Unive… Februar 23rd, 2013 | 08:19 […] Wir sind eine Gruppe von Tierschützern und stellen die Primatenversuche an der Ruhr-Universität Bochum vor dem Hintergrund der Aufnahme des Tierschutzes in der deutschen Verfassung 2002 und der Erklärung des Tierschutzes als Staatsziel tatkräftig in Frage. Wir haben unsere Auseinandersetzung mit der genehmigenden Behörde (Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz, Recklinghausen – LANUV NRW) seit April 2012 in diesem Blog zusammengestellt, siehe: Primatenversuche in Bochum: Auseinandersetzung mit Behörden. […] […]
[…] Am 18.02.2013 haben wir eine erneute Strafanzeige gegen die genehmigende Behörde LANUV NRW bei der Staatsanwaltschaft Bochum wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz §§ 7 und 8 erstattet, sowohl für die Tötung der Versuchstiere als auch für die Genehmigung der Versuche selbst, siehe: Neue Strafanzeige gegen das LANUV NRW wegen Tötung von Versuchsaffen an der Ruhr-Universität Bochu… […]