Blog – Jocelyne Lopez

10 – Das Forschungsprojekt G.O. Mueller zieht eine Zwischenbilanz

Nachstehend 10. Abschnitt der bisher unveröffentlichen Arbeit Das Forschungs-
projekt G.O. Mueller zieht eine Zwischenbilanz
, die im Forum von Ekkehard Friebe als Fortsetzungsreihe vorgestellt wird:

1924, April – Briefwechsel zwischen Oskar Kraus und Max v. Laue

Kraus schickt die Zusammenfassung eines „Offenen Briefes“ an Einstein zum Abdruck an die „Zeitschrift für Physik„. Der Redakteur Karl Scheel lehnt ab und zitiert zur Begründung ein ablehnendes Gutachten von Max v. Laue, der die fehlende „mathematische Durcharbeitung“ bemängelt. Eine Erwiderung von Kraus wird vom Redakteur wiederum an den Gutachter v. Laue weitergereicht und v. Laues Antwort an Kraus mitgeteilt. Darin findet sich die folgende bemerkenswerte Aussage v. Laues:

Findet ein Philosoph in ihr [der Relativitätstheorie] innere Widersprüche, so sage ich ihm auf den Kopf zu und ohne mir seinen Gedankengang in allen Einzelheiten anzusehen, daß er die Sache nicht verstanden hat. Denn, das kann man nicht scharf genug betonen: Die mathematische Durchbildung, welche die Theorie erfahren hat, sichert dagegen vollständig.

Damit hat der Theorievertreter den Kritikern in schöner Offenheit seine eigene Borniertheit als wissenschaftlichen Grundsatz verkündet: die Relativitätstheorien ist gegen innere Widersprüche „vollständig gesichert„, weshalb man sich mit solcher Kritik nicht zu beschäftigen braucht. Der Physiker braucht die Kritik gar nicht erst zu lesen.

Kraus hat diesen Briefwechsel in seinen „Offenen Brief“ an v. Laue aufgenommen, den er im nächsten Jahr in einem Buch veröffentlicht hat:

1925 – Oskar Kraus: Offene Briefe an Albert Einstein und Max von Laue

Veröffentlicht als Buch (104 S.) je einen „Offenen Brief“ an Albert Einstein (S. 1 – 74) und einen an Max v. Laue (S. 75 – 98). Anhang (S. 99 – 104): „Die rotierende Kreisscheibe„. – Trägt Einstein Kritik der Theorien vor und möchte eine Antwort von Einstein haben, weil nur die authentisch wäre. Hauptpunkt ist das Experiment mit einer rotierenden Scheibe, in deren Mittelpunkt und an deren Rand je eine Uhr fest montiert ist; diskutiert das Verhalten der Uhren bei Drehung der Scheibe, bezweifelt die Behauptungen der Relativisten dazu; vgl. Anhang. – Beschreibt die Strategie der Relativisten in der Abwehr der Kritiker: Relativisten, die selbst eine Darstellung der Theorie ohne jede Mathematik geliefert haben, weisen Kritiker als mathematisch inkompetent zurück; Zeitschriften akzeptieren lobende Artikel, weisen aber kritische Artikel ab. Auf Kongressen werden jetzt auch Naturwissenschaftler nicht zugelassen, wenn sie als Gegner der Theorie bekannt sind.

Wirft v. Laue vor, daß er mit seinem Votum die Veröffentlichung seines „Offenen Briefes“ an Einstein in der „Zeitschrift f. Physik“ verhindert hat und druckt den diesbezüglichen Briefwechsel ab (S. 75 – 86); vgl. den vorangehenden Eintrag „1924, April„. Verwahrt sich gegen v. Laues Behauptung, er, Kraus habe nur populärwissenschaftliche Darstellungen verwendet; verweist auf drei kritische Fragen, auf die er Antworten erbeten, aber stattdessen nur Polemik erhalten habe. Bestreitet, daß die Spezielle Relativitätstheorie nicht von jedem verstanden werden könne. Zu dem oben zitierten Wort v. Laues über die „vollständige Sicherung“ der Theorie stellt Kraus fest, daß wir „also bereits bei dem Unfehlbarkeitsdogma angekommen sind (S. 93)

Die Schlußseiten dieses Briefes gehören zu den klarsten und hellsichtigsten, die jemals von Kritikern geschrieben worden sind.

Kraus hat von beiden Adressaten nie eine Antwort erhalten, weder privat noch öffentlich. (Dok. Kap. 3, S. 296 – 298; Kap. 4, S. 630 – 632.)

Siehe URL

(G.O. Mueller)