Blog – Jocelyne Lopez

Finanziert der Steuerzahler die Pharmaindustrie?

Aus dem Internet-Portal des Hessischen Ministeriums der Finanzen ist zu entnehmen, dass die Landesregierung das Ernst Strüngmann Institute, ein Unternehmen der Pharmaindustrie (Hexal), mit 30 Millionen Euro Steuergeld fördert, siehe:

11.01.2012 – Pressemitteilung
Landesregierung fördert Ernst Strüngmann Institute mit 30 Millionen Euro
Staatsministerin Kühne-Hörmann und Staatssekretärin Hölscher: „Spitzenforschung sichert Wissenschaftsstandort Hessen“

„Das Land Hessen stellt zur Errichtung eines Institutsbaus für das Ernst Strüngmann Institute (ESI) in Frankfurt-Niederrad eine Projektförderung von 30 Millionen Euro in den Jahren 2012 bis 2015 zur Verfügung. Das ESI leistet Grundlagenforschung im medizinisch-naturwissenschaftlichen Bereich mit thematischer Ausrichtung auf die Hirnforschung. Dabei stehen Erkrankungen des Nervensystems im Blickpunkt.“

Die beschriebene Konstruktion der Übertragung der Forschungsaktivitäten des Max Planck Instituts für Hirnforschung auf ein privates Unternehmen der Pharmaindustrie ist sehr unüberschaubar und es fehlt an Transparenz, zu welchen Zwecken Steuergelder verwendet werden: Hier sieht es so aus, als ob der Steuerzahler die Pharmaindustrie finanzieren würde.

Es ist nämlich nicht nachvollziehbar, warum das Max Planck Institut für Hirnforschung seine Grundlagenforschung auf ein privates Unternehmen der Pharmaindustrie ausrichtet und überträgt, wobei offensichtlich nur der Name des Instituts sich geändert hat: Leitung, Mitarbeiter, Verwaltung, Forschungsthemen und Forschungsziele scheinen unverändert geblieben zu sein. Das geht zum Beispiel auch hervor aus einer Auskunft vom 12.03.12 des Regierungspräsidiums Darmstadt, Veterinärwesen und Verbraucherschutz:

Tierschutz; Durchführung von Tierversuchen am Ernst Strüngmann Institute (ESI) in Frankfurt am Main
hier: Ihre Anfrage vom 10. Januar 2012, Ihre Rückfrage vom 12. März 2012

Sehr geehrte Frau Lopez,

meine Antwort auf Ihre Anfrage vom 10. Januar bezog sich auf das Ernst-Strüngmann-Institut, da die Ihrer Anfrage zugrundeliegenden Versuchsvorhaben derzeit dort und nicht am Max-Planck-Institut für Hirnforschung durchgeführt werden.

Soll es dann heißen,

– dass die langjährigen Forschungsaktivitäten des Max Planck Instituts für Hirnforschung in Wirklichkeit nicht in der Grundlagenforschung angesiedelt waren, sondern schon seit langem den Interessen der Pharmaindustrie mit Steuergeldern dienten?

– dass das Max Planck Institut für Hirnforschung seine Forschungsziele neu ausgerichtet hat und zur Entwicklung von Psychopharmaka für das Pharma-Unternehmen Hexal forscht?

Einige Äußerungen in den Medien des Initiators dieser Umstrukturierung, Prof. Dr. Wolf Singer, langjähriger Direktor des Max Planck Instituts für Hirnforschung und jetzt Direktor des Ernst Strüngmann Instituts, lassen diesen Verdacht zu, wie zum Beispiel in einem Interview in der Zeitschrift „Gehirn & Geist“ aus dem Jahre 2004:

Interview mit Prof. Dr. Wolf Singer und Prof. Thomas Metzinger: „Ein Frontalangriff auf unsere Menschenwürde“

Zunächst einmal: Psychodrogen sind überhaupt nichts Neues. Wir trinken schließlich auch Kaffee. Die Menschheit war immer sehr innovativ, wenn es darum ging, Stoffe zu entwickeln, die auf die Psyche einwirken. Wir verfügen heute über ein ganzes Arsenal psychoaktiver Pharmaka – wobei die Palette der Möglichkeiten allerdings derzeit enorm anwächst.
[…]
Noch wichtiger erscheint mir jedoch das Stichwort „Neurotechnologie“: Wissenschaftler arbeiten weltweit emsig an neuen technologischen Zugriffsmöglichkeiten auf das Gehirn. Kurz: Die Möglichkeiten, unsere geistigen Zustände zu verändern, werden an vielen Fronten optimiert und in Zukunft überhaupt zahlreicher.

Dürfte die Pharmaindustrie, die bekanntlich Profite in Milliardenhöhe erzielt, auch noch von dem Steuerzahler finanziert werden?