Blog – Jocelyne Lopez

G.O. Mueller: Das Schweigen der Adressaten

Eine Leseprobe aus dem neu veröffentlichten Kapitel 9 der Dokumentation von G.O. Mueller Das Gedankenexperiment, auch im Blog von Ekkehard Friebe veröffentlicht:

Das Schweigen der Adressaten

Angesichts des dröhnenden Schweigens unserer Adressaten fehlen sichere Anhaltspunkte über die Motive. Angesichts der Vorlage einer einmaligen internationalen Dokumentation kann das Schweigen aber kein selbstverständliches einfaches Übergehen sein, es muß eine Bedeutung haben. Die Deutschlehrer würden es auf den Punkt bringen: “Das Schweigen will uns etwas sagen”. Aber was?

Für das Forschungsprojekt wäre die Kenntnis dieser Bedeutung nicht nur beiläufig interessant, sondern wichtig. Deshalb versuchen wir eine Interpretation auf rein spekulativer Grundlage.

Rein äußerlich ist für jeden Adressaten der Umfang der Dokumentation und der darin investierte Arbeitsaufwand erkennbar, außerdem die Kontinuität des Projekts und der Aktivitäten über mindestens mehrere Jahre. Daraus kann jeder den Anspruch auf Ernsthaftigkeit erkennen.

Allein schon das Thema Relativitätstheorie genießt allerseits größten Respekt. Alle Leute, die beruflich nichts damit zu tun haben und den Gegenstand nur vom Hörensagen kennen, legen die Hände an die Hosennaht und salutieren. Sie wissen als ganz sicher, daß sie es mit der größten Erkenntnis der Menschheit zu tun haben. Und fast genau so sicher wissen sie, daß mit dieser Sache und den Autoritäten, die sie repräsentieren, nicht zu spaßen ist. Über den persönlichen Hintergrund des Theorieurhebers und sein Schicksal hat jeder schon einmal etwas gehört und weiß, daß die Person tabu ist. “Der neue Weltweise” wird er genannt. Das Tabu erstreckt sich vielleicht auch auf die Theorie – wer weiß?

Jeder Adressat wird auch ohne genauere Lektüre unserer Dokumentation intuitiv erfassen, daß die anonym zugesandte Dokumentation eine ernsthafte Kontroverse mit den Autoritäten und der Tabuzone “Relativitätstheorie” anzettelt. Die meisten werden allein dies schon für eine ungemütliche Veranstaltung halten, mit der sie nichts zu tun haben wollen. Außerdem werden sie sich sagen, daß sie die Angelegenheit gar nicht oder nicht hinreichend verstehen und insbesondere die Gründe und Motive dieser anonymen “Unruhestifter” nicht durchschauen können.

Die Furcht vor dem Tabu und vor der Anonymität, die eigene Inkompetenz und die allgemeine generelle Konfliktscheu, derzufolge der Streitbare immer eine negative Rolle spielt, solange man sie nicht versteht und ihre Ziele nicht verstehen kann: dies könnten die Gründe sein, daß die Adressaten unserer Zusendungen mit einem (fast) völligen Schweigen reagieren. Der “mündige Bürger”, der von einem anderen “mündigen Bürger” über ein Verbrechen informiert und zu öffentlichem Handeln aufgefordert wird, möchte so mündig gar nicht sein und verkriecht sich lieber.

Über die hier skizzierten Gemütslagen der Adressaten bestanden von Anfang an keine Zweifel. Für Zeitgenossen, die selbst nicht öffentlich auftreten, wäre die Entscheidung für das “Ohne mich” auch völlig verständlich und legitim.

Ganz andere Erwartungen und Anforderungen sind dagegen an die Schicht derjenigen zu stellen, die selbst die Öffentlichkeit suchen, im Auftrag der Öffentlichkeit tätig sind oder die Meinungsbildung der Öffentlichkeit mitgestalten: nur Vertreter dieser Gruppe nehmen am Gedankenexperiment unseres Forschungsprojekts teil. Gemessen an ihren eigenen Ansprüchen, die sie im allgemeinen gern hinausposaunen, sind sie zur Wahrnehmung der selbstgewählten oder durch Auftrag zugewiesenen Funktionen verpflichtet.

Die Tatsache, daß fast alle Vertreter dieser Gruppe  –  mit den berichteten erfreulichen Ausnahmen  –  ihre Verpflichtung schwänzen und sich nach dem Muster der unzuständigen und nicht verpflichteten  Zeitgenossen verhalten, bedarf nun einer anderen Interpretation.

(G.O. Mueller)